Clayoquot, 2016/17, Öl auf Leinwand, 180 x 380 cm

Nanaimo

Kanadische Landschaft

Nanaimo oder Der Weg dorthin

Die Nanaimo Serie ist nach einer Reise nach Vancouver Island, Kanada, entstanden. Nanaimo, Nitinat sind die Namen der First Nations Ureinwohner. Auf Meares Island, einer Insel im Cayoquot Sound (Claaqwat), der im Pazifik liegt, sind zahlreiche Fotos entstanden. Sie waren Inspiration für viele meiner Bilder.

Katalogtext Olaf Velte

Mit der Spachtel graben

Da steht ein Roter Hauptmann im alten Garten. Überfrachtet von Jahren und Jahrzehnten, stets im Licht von Frühling, Sommer, Herbst, Winter. Etwas, das wegdämmert, sich zäh erneuert, bleiben will.
Etwas, das Eckhard Gehrmann mit brauner Kreide ins Papier zieht, Stück für Stück, stammweise. Und das Lebendige zeichnet sich ein. Nicht alleine bleiben Schorf, Wunde, Totholz, der sichtbare Rest. Junge Triebe dann wie Lufthauch, Gespenster.

Nach den Zeichnungen, Studien, dem Vor-der-Natur kommen Spachtel und Ölfarbe, das vollere Sein. Wie Körperinnenräume öffnet sich der Bäume Bild. Äste, Wurzeln, Flechten. Zugleich Geäder, organische Leibhaftigkeit. Filigrane Feinnervigkeit braucht es da nicht. Gehrmann packt zu, ist roh im Formen. „Währenddessen bei sich und außer sich sein.“ Beachte den Zug der Spachtel, die Bewegung des Arms.

Der Künstler sieht, was gestaltet werden muss. Sieht und gestaltet das Gebrochene, Stille, Vergehende. Das Kommende. Kreisläufe in der Natur, die unsere Welt ist.

Wer das Hinschauen bei Handhabung einer kalten Nadel lernt, ist nah dran, gräbt sich ein. Form wird Energie, wird wesentlich. Keine Blüten, keine Blumen. Aber das im Chaos, im Wilden sich Bildende. Eckhard Gehrmanns Nah- und Naturformen weiten sich zu Landschaften, die in steter Bewegung sind.

Abstrakt? Hier sind die vier Elemente gegenwärtig. Beispiellosen Farbkompositionen mitgegeben. In rücksichtsloser Hingabe, Freiheit. Dass die abschließenden Spachtelhiebe keine Nebenprodukte am Ende des Werkeltages sind, ist offensichtlich.

Eine Arbeit, die das Unmögliche will. Festhalten, was Raserei im Unsichtbaren ist, was Menschenverstand nicht strukturieren kann. Alle Zeit außer Kraft. Alles sich im Naturraum Ereignende auf einmal.

„Du fängst etwas ein, das sich dir entzieht und dessen du dir nicht sicher bist, und du versuchst es festzuhalten, bevor es verschwindet“, hat der amerikanische Maler Philip Pearlstein einmal geschrieben. Auch Eckhard Gehrmann folgt einer „Energie der Dringlichkeit“.

Da steht ein Roter Hauptmann in einem Garten. Überfrachtet von Bedeutung, von Zeichen, die gedeutet sein wollen. Und ein Künstler geht in den ehemaligen Schlafsaal eines Mädchenpensionats – welcher heute sein Atelier ist – und greift sich Spachtel, Farbtopf, die noch leere Tafel.

Olaf Velte

Auszug aus dem Vorwort zum Katalog „Nanaimo“

Denn so leicht, so bereitwillig hat man sich auch schon eine Weile nicht mehr täuschen lassen von Geste, Farbspektrum und Material. Denn es stimmt ja, im Grunde ist er immer schon Landschafts-, genauer: ein Naturmaler gewesen. Gehrmann, der in den achtziger Jahren bei Christian Kruck, Karl Bohrmann und Per Kirkeby an der Frankfurter Städelschule studiert hat, liebt wie die Pleinair-Maler des 19. Jahrhunderts seit jeher das Arbeiten vor der Natur und dem Motiv.

Und die Serie der vor einem alten knorrigen Apfelbaum, dem Nussbaum oder der verwachsenen Buche im heimischen Garten entstandenen Kreidezeichnungen, der Zusammenklang von in extremer An- und Auf- und Nahsicht eingefangenem alten Holz und jungen Trieben, ist denn auch exemplarisch nicht nur für sein grafisches, sondern auch für sein im engeren Sinne malerisches Schaffen.

Ein Künstler also, dem die Erscheinungsformen der Natur noch allemal genügend Anlass zu immer neuen Bildern bieten. Weniger freilich als mimetischer Reflex oder gar in romantisch zu nennender Emphase, sondern weil sich hier alle Formen, Farben, Fantasien, weil sich Motive und Strukturen, Vokabular und Kolorit und mithin alles, was der Künstler sieht und was ihm wert erscheint, ein Bild zu machen und ihm doch stets ein Rätsel bleibt, seit jeher aufgehoben und gespiegelt finden. Und in der Tat schlägt sich Gehrmanns hier zum Ausdruck kommende Haltung zur Welt und zur Natur denn auch in seinem aktuellen Schaffen nieder.

Den blätterbaren Online-Katalog finden Sie auf den Info-Seiten.