Roter Hauptmann, Kreide auf Papier, 2017, 26 x 35 cm Zeichnung

Roter Hauptmann

Roter Hauptmann ist ein alter Apfelbaum.

„Oft steht der Künstler ganz nah, ja fast im Baum, wendet sich etwas zur Seite und setzt einen kleinen Zweig, den er vor sich sieht, ganz vorne ins Bild.”

„Kleine Stellen werden wichtig, versuche, direkt etwas zu entnehmen. Oft schaue ich beim Zeichnen gar nicht viel aufs Blatt.”

Ohne Titel, Kreide auf Papier, 26 x 35 cm, 2009 Zeichnung

Schwarzenfels

Schwarzenfels ist eine Rotbuche, die ich seit langem wieder und wieder zeichne.

Ab und zu muss ich sie schneiden, damit sie nicht zu groß wird. Sie scheint es sich zu merken und bleibt einige Zeit klein, bevor sie wieder versucht, ein großer Baum zu werden. Vielleicht ist das ihre Strategie. Buchen können warten auf das Licht, um dann schnell zu wachsen.

Bei Eichen ist das umgekehrt. Sie wachsen erst schnell und später langsam.

no brown in town, Öl auf Papier, 36 x 51 cm, 2016 Malerei

Farbräume

Farbräume sind meist kleine 51 cm x 36 cm große Arbeiten in Öl auf Papier, die oft parallel zu den größeren Bildern entstehen. Meist sind es die Farben, die ich für andere Bilder auf der Palette habe, mich vielleicht nicht traue, sie so unverdünnt zu verwenden.
Früher habe ich diese Blätter Farbstudien genannt und auch als Farbnotiz für das spätere Weitermalen der großen Bilder benutzt. Heute werden sie mir immer wichtiger und eigenartigerweise immer noch am besten, wenn ich sie „so nebenbei“ mache. Zum Beispiel wenn die große Idee am Bild verloren ist und ich ganz frei bin, wenn ich ohne großes Wollen einfach mit dem Farbklang, den ich im Kopf habe, etwas mache.

Freedom is just another word for nothing left to lose

Janis Joplin / Kris Kristofferson

Lithographie

Lithos 1989 – 98

Frühe Lithographien

Lithographien druckt Eckhard Gehrmann seit dem Studium an der Frankfurter Städelschule bis ca. 2000, dann wieder intensiv ab 2020.

„Die frühen Blätter im Querformat erinnern dabei oft an Insekten, Larven, später dann im Hochformat sind es Adler oder Vogelwesen. Ab Mitte der 1990er-Jahre tauchen abstrakte Waldmotive oder verschiedene Teile organischer Formen auf. Die Blätter werden in dieser Zeit abstrakter und flächiger, andererseits beginnt sich durch den jahrelangen Druckprozess die Oberfläche des Drucksteines zu öffnen, sie wird körniger und zerrissener.”

Textauszug: Katja Schneider im Faltblatt der Ausstellung im Haus der Stadtgeschichte 2020.

Buche im Mai, 2017, Öl auf Holz, 68 x 85 cm Malerei

Bäume

Schwarzenfels und Roter Hauptmann sind zwei Bäume in meinem Garten. Immer wieder male und zeichne ich dort an den gleichen Orten (von derselben Stelle aus).
Ich arbeite gerne im Freien, da ist eine andere Dringlichkeit, etwas zu machen. Eine Unmöglichkeit, es zu erfassen.
Man wird ganz klein.
Oft verzweifelt man, macht dann doch etwas, was wahr ist.
Manchmal breche ich ab, habe aber im Nachhinein doch schon das gemacht, was mich hat hinsehen lassen.
Die Bilder sind oft mit breiten Oilsticks in der nassen Ölfarbe gearbeitet. Ganz nah den Zeichnungen.

Es wäre leichter, mit Fotografien zu arbeiten, aber im Malen nach der Natur liegt eine Energie, eine Dringlichkeit, die bei fotografischen Vorlagen fehlt. Du fängst etwas ein, das sich dir entzieht und dessen du dir nicht sicher bist und du versuchst, es festzuhalten, bevor es verschwindet.

Philip Pearlstein, amerikanischer Maler
Clayoquot, 2016/17, Öl auf Leinwand, 180 x 380 cm Malerei

Nanaimo

Kanadische Landschaft

Nanaimo oder Der Weg dorthin

Die Nanaimo Serie ist nach einer Reise nach Vancouver Island, Kanada, entstanden. Nanaimo, Nitinat sind die Namen der First Nations Ureinwohner. Auf Meares Island, einer Insel im Cayoquot Sound (Claaqwat), der im Pazifik liegt, sind zahlreiche Fotos entstanden. Sie waren Inspiration für viele meiner Bilder.

Katalogtext Olaf Velte

Mit der Spachtel graben

Da steht ein Roter Hauptmann im alten Garten. Überfrachtet von Jahren und Jahrzehnten, stets im Licht von Frühling, Sommer, Herbst, Winter. Etwas, das wegdämmert, sich zäh erneuert, bleiben will.
Etwas, das Eckhard Gehrmann mit brauner Kreide ins Papier zieht, Stück für Stück, stammweise. Und das Lebendige zeichnet sich ein. Nicht alleine bleiben Schorf, Wunde, Totholz, der sichtbare Rest. Junge Triebe dann wie Lufthauch, Gespenster.

Nach den Zeichnungen, Studien, dem Vor-der-Natur kommen Spachtel und Ölfarbe, das vollere Sein. Wie Körperinnenräume öffnet sich der Bäume Bild. Äste, Wurzeln, Flechten. Zugleich Geäder, organische Leibhaftigkeit. Filigrane Feinnervigkeit braucht es da nicht. Gehrmann packt zu, ist roh im Formen. „Währenddessen bei sich und außer sich sein.“ Beachte den Zug der Spachtel, die Bewegung des Arms.

Der Künstler sieht, was gestaltet werden muss. Sieht und gestaltet das Gebrochene, Stille, Vergehende. Das Kommende. Kreisläufe in der Natur, die unsere Welt ist.

Wer das Hinschauen bei Handhabung einer kalten Nadel lernt, ist nah dran, gräbt sich ein. Form wird Energie, wird wesentlich. Keine Blüten, keine Blumen. Aber das im Chaos, im Wilden sich Bildende. Eckhard Gehrmanns Nah- und Naturformen weiten sich zu Landschaften, die in steter Bewegung sind.

Abstrakt? Hier sind die vier Elemente gegenwärtig. Beispiellosen Farbkompositionen mitgegeben. In rücksichtsloser Hingabe, Freiheit. Dass die abschließenden Spachtelhiebe keine Nebenprodukte am Ende des Werkeltages sind, ist offensichtlich.

Eine Arbeit, die das Unmögliche will. Festhalten, was Raserei im Unsichtbaren ist, was Menschenverstand nicht strukturieren kann. Alle Zeit außer Kraft. Alles sich im Naturraum Ereignende auf einmal.

„Du fängst etwas ein, das sich dir entzieht und dessen du dir nicht sicher bist, und du versuchst es festzuhalten, bevor es verschwindet“, hat der amerikanische Maler Philip Pearlstein einmal geschrieben. Auch Eckhard Gehrmann folgt einer „Energie der Dringlichkeit“.

Da steht ein Roter Hauptmann in einem Garten. Überfrachtet von Bedeutung, von Zeichen, die gedeutet sein wollen. Und ein Künstler geht in den ehemaligen Schlafsaal eines Mädchenpensionats – welcher heute sein Atelier ist – und greift sich Spachtel, Farbtopf, die noch leere Tafel.

Olaf Velte

Auszug aus dem Vorwort zum Katalog „Nanaimo”

Denn so leicht, so bereitwillig hat man sich auch schon eine Weile nicht mehr täuschen lassen von Geste, Farbspektrum und Material. Denn es stimmt ja, im Grunde ist er immer schon Landschafts-, genauer: ein Naturmaler gewesen. Gehrmann, der in den achtziger Jahren bei Christian Kruck, Karl Bohrmann und Per Kirkeby an der Frankfurter Städelschule studiert hat, liebt wie die Pleinair-Maler des 19. Jahrhunderts seit jeher das Arbeiten vor der Natur und dem Motiv.

Und die Serie der vor einem alten knorrigen Apfelbaum, dem Nussbaum oder der verwachsenen Buche im heimischen Garten entstandenen Kreidezeichnungen, der Zusammenklang von in extremer An- und Auf- und Nahsicht eingefangenem alten Holz und jungen Trieben, ist denn auch exemplarisch nicht nur für sein grafisches, sondern auch für sein im engeren Sinne malerisches Schaffen.

Ein Künstler also, dem die Erscheinungsformen der Natur noch allemal genügend Anlass zu immer neuen Bildern bieten. Weniger freilich als mimetischer Reflex oder gar in romantisch zu nennender Emphase, sondern weil sich hier alle Formen, Farben, Fantasien, weil sich Motive und Strukturen, Vokabular und Kolorit und mithin alles, was der Künstler sieht und was ihm wert erscheint, ein Bild zu machen und ihm doch stets ein Rätsel bleibt, seit jeher aufgehoben und gespiegelt finden. Und in der Tat schlägt sich Gehrmanns hier zum Ausdruck kommende Haltung zur Welt und zur Natur denn auch in seinem aktuellen Schaffen nieder.

Den blätterbaren Online-Katalog finden Sie auf den Info-Seiten.

Valencia, Öl auf Leinwand, 150 x 290 cm, 2010 Malerei

Große Landschaft

Anlass und Ausgangspunkt sind oft Collagen, die aus dem Bildmaterial entstehen, welches ich schon lange sammle. Eigene Fotos, Abbildungen aus Büchern und Zeitungsausschnitte werden zur Bildidee. Anderes wird zur darüber liegenden Struktur, zur Farbe oder gar zum Titel.

Vor der Umsetzung in Malerei zeichne ich eine Zeit lang, lege meist alles weg, um frei zu sein. Beim Malen dienen die Zeichnungen mir dann wieder, wenn ich mich festgefahren habe. Vielleicht ist die große Bildidee verloren, was auch gut ist. Dann finde durch die Vorarbeit zu Lösungen, auf die ich so nie gekommen wäre.

Malerei – Man kann sich nichts dabei denken, denn Malen ist ja eine andere Form des Denkens

Gerhard Richter